Dvořáks Requiem in Köln: Beachtliches Plädoyer
Es ist leider immer noch ein Wagnis, Dvořáks Requiem auf ein Konzertprogramm zu setzen. Zumal, wenn es so große Hallen wie die Kölner Philharmonie füllen soll. Umso mehr Anerkennung gebührt daher dem Philharmonischen Chor Köln, dass er sich darauf eingelassen und die ausgetretenen Repertoirepfade der Chormusik in der Vor-Osterzeit verlassen hat.
Dass das Werk alles andere als ein nur um seiner selbst willen aufgeführtes Randstück abseits der großen Requiem-Vertonungen des 19. Jahrhunderts ist, wurde an diesem Abend eindrucksvoll bewiesen. Das ist besonders erfreulich, da es sich bei den Ausführenden nicht um die erste Garde und bekannte Namen handelte, sondern um eine zweite, die aber in puncto Experimentierfreudigkeit und Begeisterung für die Sache der ersten oftmals überlegen und fern jeder Routine ist. In diesem Fall gilt das besonders für den Chor und die noch sehr jungen Solisten, deren Namen man sich merken sollte. Die Neue Philharmonie Westfalen wirkte dagegen bisweilen noch wie in der Endprobenphase, in der letzte Details bezüglich Konturenschärfe und Akzentuierungen noch zu klären gewesen wären.
Kein Zweifel, Dvořáks Requiem ist im Vergleich zu berühmteren Schwesterwerken eher sperrig. Das liegt sowohl am eigenwilligen Zuschnitt des Textes, den der Komponist recht versatzstückartig anordnet – ohne freilich den liturgischen Ablauf ganz zu verlassen – als auch an der vergleichsweise exzentrischen und hochexpressiven Tonsprache, die mit ungewöhnlichen Kombinationen und Instrumenten aufwartet. Unter der Leitung von Horst Meinardus kamen besonders die dunklen, abgetönten Klangfarben zur Geltung, beispielsweise die Kombination von Bassklarinette und Männerchor im ‚Hostias‘ oder der dumpfe Tamtam-Schlag zu Beginn des ‚Tuba Mirum‘. Die Herausforderung an den Chor besteht darin, die weitaus überwiegend leisen Partien mit einem Höchstmaß an Präzision und dynamischen Abstufungen spannungsreich zu erhalten. Die vereinigten Chöre des Philharmonischen Chors Köln und der Brussels Choral Society zeigten sich dem in jeder Hinsicht gewachsen. Auch in rhythmisch vertrackten und harmonisch komplexen Passagen behielten die Sängerinnen und Sänger stets die Übersicht und sorgten für einen fortlaufenden musikalischen Fluss. Etwas mehr große Geste hätte dagegen dem triumphalen, glockenunterstützten Finale des ‚Tuba Mirum‘ und dem ‚Sanctus‘ gutgetan. Leider gingen hier auch vom Orchester keine nennenswerten Impulse aus, so dass die Gesamtwirkung zu matt ausfiel.
Für die Solisten ist das Werk undankbar, da sie selten ganze Abschnitte allein bestreiten, sondern immer in Kombination untereinander oder mit dem Chor eingesetzt werden. Dennoch ließen alle vier Stimmen aufhorchen. Maria Ryu zauberte mit ihrem jugendlichen, zerbrechlichen Sopran Momente voller anrührender Innigkeit, aber auch Dramatik in den großen Raum. Gern mehr hätte man von Diana Haller gehört, der Gewinnerin des Belcanto-Preises des letztjährigen Rossini-Festivals in Bad Wildbad, deren Mezzo bis in die Altlage hinein ungemein volltönend ist und sich vor allem mit dem Sopran Ryus ideal mischte.
Eine Klasse für sich war Dominik Wortigs Tenor, von dem man zweifellos in Zukunft noch mehr hören wird. Lyrischer Schmelz, makellose Diktion und natürliche Strahlkraft gehen in seiner Stimme eine ideale Symbiose ein, für die es genretechnisch keine Grenzen zu geben scheint. Der agile, vergleichsweise helle Bass von Vasilios Manis rundete das bemerkenswerte Solistenquartett mit edler Tongebung wunderbar ab.
(Quelle: https://magazin.klassik.com/konzerte/reviews.cfm?task=review&PID=4711)