„La Bohème“: Anklage gegen eine kalte Welt
OPER „La Bohème“ lässt die Zuschauer bei der Premiere jubeln und ist noch zweimal im Theater zu sehen.
Jubelnden Beifall gab es bei der Premiere von Giacomo Puccinis Oper „La Bohème“ im Theater Solingen. Famose junge Solisten ließen zusammen mit den Bergischen Symphonikern das Publikum in ein Wechselbad der Gefühle eintauchen. Idealismus und materielle Armut – beides lässt die Inszenierung in den Personen der vier Künstler Rodolfo (Hong Jae Lim), Marcello (Raimund Fischer), Schaunard (Rafael Bruck) und Colline (Ralf Rhiel) beklemmend aufeinander prallen.
Entstanden ist die Eigeninszenierung in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Tanz Köln (musikalische Leitung: Peter Kuhn, Regie: Igor Folwill), den Auftrag gab das Kulturbüro.
Der 1. Akt – zuvor erklang die elektronische Komposition „Präludien“ (2011) von Thomas Taxus Beck – führt das Publikum in die ärmliche Mansarde der Künstler. Das karge Bühnenbild (Manfred Kaderk) strahlt winterliche Kälte aus. Die Not wird greifbar, wenn Rodolfo sein Drama wegen ein wenig Wärme verfeuert.
Anrührend bahnt sich dann die Liebe zwischen Rodolfo und der lungenkranken Nachbarin Mimi an (bezaubernd: Maria Ryu). Dass sein außergewöhnlicher Tenor noch im höchsten Register seine Strahlkraft bewahrt, bewies Hong Jae Lim bravourös etwa in der Arie „Che gelida manina“ („Wie kalt ist dies Händchen“).
In eine Traumwelt entführt dann das 2. Bild – per Drehscheibe zeigt es in liebevollen Details einen Weihnachtsmarkt, auf dem sich das Volk vergnügt (Theaterchor Solingen/Opernchor der Hochschule Köln). Mit hellem Gesang bestürmen die Kinder (ChorAkademie Bergisch-Land) den Spielzeughändler Parpignol (Carles Prat). Karola Pavone gibt eine herrlich freche Musetta ab. Um zu ihrem Geliebten Marcello zurückzukehren, serviert sie ihren reichen, alten Verehrer Alcindoro (Nikolai Miassojedov) ab.
Albtraumhaft gerät das 3. Bild mit schwarz gekleideten Straßenkehrern und Milchfrauen in der Morgendämmerung. Aufwühlend ist zu erleben, wie Armut die Liebe zwischen Rodolfo und Mimi zu zerstören droht.
Beim Schlussbild halten die Zuschauer den Atem an, als sich Mimi sterbend im Kreis ihrer Freunde auf zwei Kisten bettet. Musetta versetzt Schmuck, um ihr einen wärmenden Muff zu verschaffen. In berührendem Gesang lässt die Sterbende Träume und Hoffnungen anklingen. Rodolfos Schrei bei ihrem Tod ist Anklage gegen eine kalte Welt: Eine denkwürdige Inszenierung!
Die Oper „La Bohème“, eine Eigeninszenierung im Auftrag des Kulturbüros, wird auch heute und morgen jeweils um 19.30 Uhr aufgeführt. Wer schon um 19.15 Uhr im Theater sitzt, erlebt als musikalische Einführung jeweils die elektronische Komposition „Präludien“ des Solinger Musikers Thomas Taxus Beck.